Landtagsrede Dr. Walter Laki – Donnerstag, den 19. September 2013 – 01

Sitzungsbericht 01

5. Sitzung der Tagung 2013/14 der XVIII. Gesetzgebungsperiode

des Landtages von Niederösterreich

Donnerstag, den 19. September 2013

 

Abg. Dr. Laki (FRANK): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Landeshauptmann! Werte Regie­rung! Sehr geehrte Abgeordnete!

Im Namen des Team Stronach darf ich auch unsere Betroffenheit zu den Vorfällen in Nieder­österreich aussprechen. Es muss jeden Menschen betroffen machen wenn Leute, die zur Sicherung, zu unserer Sicherheit, ihr Leben geben müssen und in der Folge die Familien ohne Familienoberhäupter dastehen. Noch einmal unser tiefstes Beileid.

Zu der Armut in Österreich, in Niederösterreich und der EU. Es werden sicherlich noch viele Kom­ponenten kommen, um dieses Problem, das ein wirkliches Problem ist, zu beleuchten. Ich möchte das ein bisschen im internationalen Kontext dar­stellen. Es ist schon richtig, dass wir in Nieder­österreich einiges dazu tun können. Es darf aber nicht übersehen werden, dass das Problem eigentlich in der gesamten EU besteht. Die Armuts­gefährdungsquote in Österreich ist 12,4 Prozent, in der EU 17 Prozent. In Österreich sind es rund eine Million Betroffene, in der EU 80 Millionen.

In der EU gibt es 26 Millionen Arbeitslose. In Österreich ist die Arbeitslosenrate am Ende der EU zweifelsohne besser als der Durchschnitt, niedriger als der Durchschnitt, wenn man es so formulieren will. Trotzdem ist das in der gesamten EU ein rie­sen Problem, zumal wir Jugendarbeitslosigkeiten haben in den südlichen Ländern, die 50 Prozent übersteigen.

Ich erinnere an einen historischen österreichi­schen Politiker, einen historischen Ausspruch: Es war Bruno Kreisky, der gesagt hat, ein paar Millio­nen Schulden sind mir lieber als ein paar Millionen Arbeitslose. Jetzt haben wir leider beides. Und die Arbeitslosen werden wahrscheinlich noch weiter steigen.

Wir haben in zwischen Verschuldungsgrade wie in einer Kriegswirtschaft. Diese Verschuldung hat einen unmittelbaren Zusammenhang mit der Arbeitslosigkeit und mit der Armut. Die Ökonomen Reinhart und Rogoff haben gezeigt, dass bei Ver­schuldungsquoten von 90 Prozent das Wirtschafts­wachstum kippt, das heißt zurückgeht, die Arbeits­losigkeit steigt, die Investitionen abnehmen.

Wir haben inzwischen enorme Schulden, die wir nicht ausweisen. Die EU weist Österreich in etwa 75 Prozent des BIP aus, das sind ungefähr 230 Milliarden. In Wahrheit, wenn man die BIG dazu zählt, die ASFINAG und die ÖBB, sind wir in etwa bei 300 Milliarden. Da haben wir eigentlich die 90 Prozentquote bereits überschritten.

Dann kommt ein weiterer Punkt hinzu. Es wurde EU-weit errechnet die so genannte implizite Verschuldung, das heißt, die Pensionszusagen, die die Länder gegeben haben an die Bürger. Und hier kommt man auf 340 Prozent des BIP. Das heißt, diese ganzen Verbindlichkeiten, die hier für die öffentliche Hand anstehen, und zwar innerhalb der nächsten 20 Jahre, die gilt es zu bewältigen. Und wir werden sie nicht bewältigen, wenn wir nicht die Dinge wirklich rechtzeitig in Angriff nehmen.

Es ist so, dass der Konsolidierungsbedarf inte­ressanterweise in Luxemburg 12 Prozent beträgt, in Irland 10 Prozent, in Italien überraschend wenig mit 2,4 Prozent, in Finnland 2,7 Prozent, in Österreich 4 Prozent. Wir haben einen Konsolidierungsbedarf in der Größenordnung von 12 Milliarden.

Darüber hinaus bestehen erhebliche Probleme im Zusammenhang mit unserer Haftungsgemein­schaft mit der EU. Es ist neuerdings so, dass nicht nur der ESM, der Rettungsschirm, zu einem Prob­lem werden kann, sondern die Franzosen fordern im zunehmenden Maße eine Arbeitslosenversiche­rung, eine Solidargemeinschaft der gesamten EU.

Das heißt, sie wollen, dass Deutschland, Österreich und andere mit der Arbeitslosigkeit und Armut weniger Betroffene hier bei den schlechteren Ländern mit hoher Arbeitslosigkeit mitzahlen. Letzt­lich wird auch das kommen. Tun wir das nicht, dann wird das über den ESM laufen und dort sind wir sowieso eine Haftungsgemeinschaft.

Das Problem an der ganzen Sache sind die Wohlstands mindernden Zinszahlungen, die hier in Milliardenhöhe laufen und wo das nächste Problem auf uns zukommt. Derzeit haben wir in etwa 10 bis 12 Milliarden an Zinszahlungen in Österreich. Das heißt, in Niederösterreich ist der Anteil also 2 Milli­arden bis 2,4 Milliarden. Das entspricht bei 580.000 Beschäftigten in etwa 3.500 Euro im Durchschnitt pro Beschäftigten und Jahr. Und das ist halt jährlich ein Wohlstandsverlust und das wirkt sich auf die Ar­beitslosigkeit und auf die Armutsentwicklung aus.

Jetzt kommt ein weiteres Problem dazu: Der Crash 2008 hat die Länder handeln lassen und hat international ein Nullzinsniveau hervorgerufen. Was bedeutet das? Die Anleihekurse sind in exorbitante Höhen gestiegen und es hat sich wiederum auf den Märkten, auf den internationalen Märkten eine rie­sige Bond-Blase gebildet. Diese Bond-Blase ist so konstruiert, dass, wenn hier wirklich größere Volu­mina abfließen, wir einen Bondcrash haben und plötzlich immens steigende Zinsen, die dann die öffentlichen Haushalte natürlich zusätzlich belasten.

Man darf nicht übersehen, dass die öffentliche Hand dieses Problem kaum in den Griff bekommen kann. Nämlich: In den Hedgefonds sind 50 Billionen geparkt – nicht nur in Anleihen, aber auch – und diese beginnen seit etwa fünf, sechs Wochen be­reits sukzessive mit dem Ausstieg. Das heißt, wenn hier diese Bond-Blase platzt, haben wir das nächste größere Problem.

Was können wir in Österreich, in Niederöster­reich tun, um diesen Dingen entgegenzuwirken? Das oberste Ziel muss sein eine Forcierung der Realwirtschaft und weg von der Finanzwirtschaft! Das ist überhaupt keine Frage. Wir brauchen wie die Deutschen und die Schweizer die Einführung einer wirklich tauglichen Schuldenbremse, um zu­mindest einigermaßen hier die Dinge in den Griff zu bekommen. Es ist möglich, wie auch die Schweden und andere gezeigt haben, dass man damit in etwa auf einem Zeitraum 10, 20 Jahre hier wirklich eini­ges bewegen kann.

Die Verwaltungsreform ist dringender denn je. Wir brauchen eine Staatsverrechnung eine taugli­che, die auch die Bestände, die Verbindlichkeiten ausweist. Wie wir erst heute wieder erfahren ha­ben, überraschend für alle, hat Salzburg mit 400 Millionen plötzlich ein riesen Loch. Und bisher ist das niemandem aufgefallen. Das darf nicht passie­ren! Wir müssen in der öffentlichen Hand, nicht nur in den Ländern, in Österreich, in der gesamten EU, ein taugliches Rechnungswesen einführen, das

einer Dokumentation und Steuerungsfunktion ge­recht wird. Denn nur so können wir die finanzwirt­schaftlichen Probleme in den Griff bekommen.

In Österreich haben wir Arbeit genug. Ich erin­nere beispielsweise nur an die 3.000 Schuldenge­sellschaften, die auf Gemeindeebene herumschwir­ren. Die sind, bitte, zurückzuführen, damit man über das Ganze einen Überblick bekommt. Diese ge­samte Verwaltungsreform, die auch notwendig ist im Hinblick darauf, die Schulden in den Griff zu bekommen, die notwendig ist, letztlich auch um die Arbeitslosigkeit in den Griff zu bekommen, die Ar­mut in den Griff zu bekommen. Dass wir wirkliche unsere Mittel für die richtigen Zwecke aus einset­zen. Nicht nur für den Konsum, unkontrolliert.

Wir haben nämlich 5.000 Budgets. Mittels über 5.000 Budgets verwalten wir unsere kleine Republik. Das gehört schon längst beseitigt und wirklich ordnungsgemäß gesteuert.

Das Problem ist nämlich, was ich mich immer frage: Wenn ein Unternehmen über Jahre Verlust macht, dann wird das Management ausgetauscht und das Unternehmen wieder auf Linie gebracht. In der Politik sieht man die Probleme, aber sie werden zugedeckt. Sämtliche Zusagen an die Bevölkerung werden über Kredit finanziert. Anders ist es nicht möglich, beispielsweise, bei Kreisky hatten wir Schuldenquoten von 20 Prozent, jetzt haben wir Schuldenquoten von 80, 90 in der EU über 100 Prozent. Und sie steigen täglich weiter. Ich möchte gar nicht die Zahlen nennen. Aber wenn wir jetzt die ganzen Pensionsverpflichtungen dazu nehmen, die bis zu 340 Prozent des BIPs betragen, das heißt, in etwa dreieinhalb Jahre das gesamte Er­wirtschaftete eines Volksvermögens wäre notwen­dig um diese Verbindlichkeiten abzudecken.

Ich glaube, es ist Zeit, diese Dinge von den kleinen Organisationen, beginnend von den Ge­meinden über die Länder, über die Republik Öster­reich hinzutragen nach Brüssel, damit dieses Problem endlich in Angriff genommen wird und unsere Kinder eine gute Zukunft vor sich haben Dankeschön! (Beifall bei FRANK.)

 

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